Samstag, 10. Juni 2017

Rezension | "Du erinnerst mich an morgen" von Katie Marsh

Diana | Broschiert | 432 Seiten | 10. April 2017 | 978-3-453-29190-4

"Sie benötigte eine Sekunde, um zu erkennen, was anders war. Nicht, dass ihre Mutter ungeschminkt war. [...] Nein. [...] Dieses Lächeln aus der Vergangenheit. Bevor alles kaputtging." // Seite 44

Zoe will gerade die Zukunft mit ihrer großen Liebe Jamie beginnen, als sie ihre Vergangenheit einholt. Kurz vor der Trauung erreicht sie der Hilferuf ihrer Mutter, mit der sie seit Jahren nicht gesprochen hat. Ohne nachzudenken verlässt Zoe die eigene Hochzeit und findet eine veränderte Mutter. Die Neuigkeit trifft sie mit voller Wucht: Gina ist mit gerade mal Anfang fünfzig an Alzheimer erkrankt. Der Alltag wird bedrohlicher, die Versöhnung mit ihrer Tochter immer dringlicher. Zoe will Gina beistehen, ist aber auch damit konfrontiert, dass Jamie sie nach der geplatzten Hochzeit verlassen hat. Ist er bereit, ihr eine zweite Chance zu geben? Und können Mutter und Tochter die Vergangenheit überwinden, jetzt da Gina ihre Erinnerung langsam, aber unaufhaltsam verliert?

 
Du erinnerst mich an morgen ist mein zweites Buch der Autorin Katie Marsh. Genauso wie ihr erster Roman fällt auch dieser wieder mit einer sehr bunten, hervorstechenden Cover-Gestaltung auf, was aber eigentlich nur Fassade ist. Denn sowohl "Die Liebe ist ein schlechter Verlierer", als auch Du erinnerst mich an morgen sind zwei Geschichten, die sehr viel emotionalen Ballast thematisieren und den Leser sehr berühren; in diesem Fall nicht nur durch eine beendete Liebesbeziehung, sondern vor allem durch eine gestörte und zerrüttete Mutter-Tochter-Beziehung.

Der Klappentext verrät schon einiges über die Geschichte an sich – nicht so viel, dass der Plot langweilig ist, aber genug, als dass man als Leser weiß, worauf man sich einlässt. Daher hatte ich schon mit einer bewegenden Handlung gerechnet, die mich schon relativ schnell am Anfang mitnehmen konnte. Vorneweg muss ich sagen, dass ich mich mit der Diagnose Alzheimer nicht besonders gut auskenne – wahrscheinlich genauso viel wie jeder andere auch, dessen Familien- und Freundekreis davon (bisher) nicht betroffen ist. Natürlich weiß ich, welche Krankheit es ist, wie sich Betroffene verhalten und dass sie nach dem jetzigen Stand der Medizin leider nicht heilbar ist. Klar war mir allerdings nicht, was es wirklich bedeutet, welche weiten Kreise so eine Umstellung zieht und wie sehr das nicht nur den Betroffenen selbst, sondern vor allem auch seine Angehörigen belastet.

Und damit meinte ich nicht nur das Offensichtliche, dass man als normal berufstätiger Mensch keine adäquate Betreuung für einen Alzheimer-Kranken ist und dass derjenige Sachen und Menschen vergisst. Sondern auch, dass man gemeinsame Erinnerungen nicht mehr zusammen teilen kann, dass man als Angehöriger beispielsweise mit der Schwester verwechselt wird, dass man rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss, dass die Kranken oft verwirrt und panisch sind, sich gute und schlechte Tage ständig abwechseln, dass sie nicht mehr alleine auf die Straße gehen sollten, weil sie sich verlaufen und/oder sich verletzen können oder einfach nur ein leichtes Opfer für Kriminelle sind. Natürlich ist das alles nur ein winzig, winzig kleiner Teil von dem, was Betroffene sowie Familie und Freunde wirklich durchmachen und lässt sich von einem Außenstehenden auch nicht mal ansatzweise umfassend beurteilen.

Wie schlimm es wirklich ist, hat mir erst dieses Buch teilweise erzählen können. Mich hat das alles sehr nachdenklich zurückgelassen, hat mir gezeigt, wie leicht man Dinge einfach unterschätzt und wie oft man meint, sich vorstellen zu können, wie schlimm etwas sein muss, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben. Ich denke, vor allem in diesem Punkt hat das Buch seinen Sinn und Zweck mehr als erfüllt. Nicht nur, dass Menschen sich mit dem Thema und dessen Auswirkungen befassen, vor allem Menschen, die eben keine Ahnung davon haben. Sondern es ist auch ein Buch für Menschen, die davon betroffen sind. Um ihnen und ihren Angehörige Mut zu machen, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, ohne letztlich als die schlechte Tochter/der schlechte Sohn/der schlechte Ehemann/die schlechte Ehefrau/sonstiges dazustehen.


Die Charaktere haben es mir in diesem Buch nicht wirklich leicht gemacht – und das meine ich im positiven Sinne. Zoe, die Hautprotagonistin, habe ich zwar lange Zeit überhaupt nicht verstehen können, aber nach und nach ist sie mir sehr ans Herz gewachsen, weil zwischendrin immer wieder Erklärungen geliefert werden und manche Handlung dann eben doch verständlich ist. Ebenso mochte ich ihre Schwester Lilly, ihren Ex-Verlobter Jamie, ihre Mum Gina und ganz zum Schluss auch irgendwann ihren Dad Alistair. Ich habe mich mit allen irgendwie verbunden gefühlt, was mir die Situation und die Handlung des Buches nur noch näher gebracht hat, was mich noch mehr beührt und bewegt hat und weswegen ich jeden Schritt mit schmerzendem und weinendem Herzen begleitet habe. Ich habe mich für Gina gefreut, wenn sie kurzzeitig über der Krankheit stand und ihre wachen und hellen Momente hatte, aber auch für Zoe, die zwischendurch kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand und die zwischen allen Stühlen saß. Ein Buch ist eben auch nur dann ein gutes Buch, wenn man die Figuren verstehen kann, wenn man sie mag und ihr Schicksal mitleidet. Wenn man sich identifizieren kann, wenn man eben keinen Abstand von ihnen nimmt, sondern versteht und den Konsequenzen folgt.

Letztlich habe ich dann vor allem am Ende ein paar Tränen vergossen, weil ich gerade den Schluss einfach wunderschön umgesetzt fand. Ein paar Seiten vor dem Ende dachte ich noch, wie will man diese Geschichte noch in irgendeiner Art und Weise vernünftig und hoffnungsvoll beenden, wie bekommt die Autorin die Kurve, den Leser nicht bedrückt und ernüchtert zurückzulassen? Denn bei dieser Thematik war ein Happy End einfach absolut notwendig. Katie Marsh hat es dann auch wirklich geschafft, dass ich emotional reagiert habe und das Ende somit mehr als gelungen empfand. Denn ich konnte das Buch – widererwartend – mit einem guten Gefühl zuklappen.

Ebenso wie bei ihrem letzten Roman hat auch hier vor allem der Schreibstil der Autorin dazu beigetragen, dass ich das Buch mit einem positiven Eindruck beendet habe und im Gedächtnis behalte. Damit meine ich nicht nur, die Art, wie sie schreibt, so berührend und persönlich, sondern auch die Aufteilung der Geschichte – denn bei den Kapiteln wechseln sich die Gegenwart (meist aus  Zoes Sicht) und die Vergangenheit (aus Ginas Sicht) ab. Toll fand ich das deshalb, weil ich nur mit den Gegenwartskapiteln sicher zu dem ein oder anderen Charakter überhaupt keine Beziehung hätte herstellen können.

Du erinnerst mich an morgen ist ein sehr ergreifendes Buch mit einem sehr tragischen Thema. Sie schildert die Problematik dessen so persönlich und bewegend, dass ich mich informiert, berührt und unterhalten gleichzeitig gefühlt habe. Ich kann hierfür auf jeden Fall eine Leseempfehlung aussprechen.


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Vielen Dank an die Verlagsgruppe Random House für das Rezensionsexemplar.
 Habt ihr Du erinnerst mich an morgen schon gelesen?
Steht es auf eurer Wunschliste?
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!


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Das Urheberrecht des Klappentextes unterliegt der Verlagsgruppe Random House.
Das Urheberrecht des Titelbilds unterliegt einzig und allein der Blogredaktion.

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